Robert Steinhäuser hätte sich gelangweilt
Dass die Berichterstattung über Computerspiele oft recht seltsame Blüten treibt, ist man ja inzwischen durchaus gewöhnt. Dennoch gibt es immer wieder Neuerungen , die auch mich als langjährigen Beobachter überraschen. Dazu gehört definitiv die obige Aussage als Verkaufsargument für das kürzlich erschienene und von Vielen heißersehnte “Half-Life 2”. In der Regel basiert die direkte oder – wie in diesem Fall – auch indirekte Kritik am Shooter-Genre ja eher auf moralischen Implikationen und einfachen Analogien (siehe auch die übrigen Beiträge zum Thema) und der “abstoßenden” Darstellung der Gewalt an sich. Eine auf den Inhalt, die Story der Spiele zielende Auseinandersetzung dürfte die Ausnahme sein, garantiert aber offensichtlich auch nicht, dass das Endergebnis wesentlich differenzierter und anregender ausfällt. Zumindest resultiert bei mir ein Satz wie:
Und wie unterscheidet es [HL1, Anm. v. mir] sich von seinem primitiven Ableger “Counterstrike”, das nach dem Amoklauf von Erfurt vielfach für die “Verdoomung” (Süddeutsche Zeitung) der Jugend verantwortlich gemacht wurde?
in körperlich spürbarem Verabschieden einiger Gehirnzellen, die zu Recht darauf verweisen, dass sie zu dieser Art Lektüre schlicht nicht notwendig seien. Uke Bosse, der nebenher einige eher fragwürdige angebliche Neuerungen wie realistische Physik gar das erstmalige Erreichen von Film- bzw. Literaturqualität bei HL 2 ausmacht, ist zumindest der erste mir bekannte Rezensent, der bei reinen Mutiplayerspielen die Abwesenheit einer Story als Kritikpunkt ausmacht. CS ist als dumpfer , primitiver und stumpfer angeblicher Ableger von HL wohl abgesehen vom durch die zu häufigen Wiederholungen wenig ansprechenden Stil kaum richtig kategorisiert, ebenso fehlt dort ja die gerade für die Verdoomung im SZ-Sinne so maßgebliche exzessive Gewaltdarstellung. Wichtige Details, deren Abwesenheit aber alles andere als untypisch ist.
Auf amüsante Art bemerkenswert finde ich weiterhin, wie auch im eher linken Umfeld des TAZ-Publikums in diesem Themenbereich die Reproduktion bestimmter Codeworte genügt, um sich verständigen zu können. So wie die durchschnittliche PC-Zeitschrift ihre Leser mit “20 Millionen Punkte im 3d-Mark” begeistert und der eher konservative Konsument der Springer-Presse sich an “Blutfontänen” und “erschossenen Schulmädchen” delektiert, muss man bei der TAZ offenbar nur “Orwell”, “Polizeigewalt” oder schlicht “Gesellschaft” erwähnen, um die Zielgruppe anzusprechen. Den Krokodilstränen über die durch die Gewaltspiele verrohende Jugend wird ein originär linkes Horrorszenario gegenübergestellt:
So werden wir von einem Polizisten gezwungen, eine Dose in den Müll zu werfen, da er behauptet, wir hätten sie fallen lassen.
Furchtbar, welch gräßliche Folgen die Globalisierung so mit sich bringt. Denn merke, solange Gewalt als Bestandteil eines Unterdrückungsapparates präsentiert wird, ist ihre Darstellung in Ordnung und sinnvoll. Zerplatzt hier ein Gegner in Tausend Stücke ist dies als feine Form der Gesellschaftskritik zu verstehen und legitimiert, während dasselbe Geschehen auf einer von Aliens überfluteten Marsstation eine verabscheuungswürdige Gewaltorgie ist. Somit ist die Verurteilung von CS durch Bosse eigentlich auch eher auf ein Mißverständnis zurückzuführen. Schließlich ist die Hintergrundstory ja dergestalt, dass ich zunächst als unbescholtener Terrorist einfach mit Freunden (einige davon noch in ihrer weißen Arbeitskleidung) meine allabendliche Runde Liebesskat spiele. In einer plötzlichen Manifestierung staatlicher Gewalt treten 6 uniformierte Repräsentanten des Schweinesystems die Türen meines Hauses ein und greifen uns ohne ersichtlichen Grund und völlig rücksichtlos unter Einsatz aller Mittel an. Selbst Granaten und prämoderne Folterinstrumente wie Messer werden dabei verwendet. Und da soll es nicht verständlich oder gar “dumpf” sein, wenn ich mir die zufällig herumliegende AK47 schnappe und unsere kleine Kommune verteidige? Also bitte!
In diesem Sinne möchte ich den TAZ-Lesern noch einige weitere persönliche Geheimtips vorstellen:
1. SiN
Ein großer (amerikanischer!!!) BioChemie-Multi produziert eine Droge, die Menschen zu Monstern und willfährigen Soldaten macht. Mastermind des Bösen ist dabei eine Frau (Emanzipation!).
2. Requiem
Nachdem der Mensch postaufklärerisch beschlossen hat, seinen Planeten zum Teufel gehen zu lassen, schickt Gott (!) einen Engel (!!) auf die Erde, der brutal mit übernatürlichen Fähigkeiten und Waffengewalt das Rad der Geschichte zurückdrehen will. Exemplarisch wird hier die Ruchlosigkeit und Verlogenheit der organisierten Religion (!!!) veranschaulicht.
3. Mortyr, Wolfenstein, Medal of Honor, Call of Duty et. cet.
Nazis abballern!!!