Doom und dümmer
Der aktuelle SZ-Artikel über Doom3 erinnert irgendwie frappierend an die Diskussionen um die zweifelhaft bis lächerlichen Begründungen des Irak-Krieges vor seinem Beginn bis heute. Deren zweifellos auf die Dauer ermüdendes Herbeten wird von vielen Verteidigern in der Regel mit “Aber,aber,aber….Saddam war böse!” gekontert, einer so richtigen wie für die Diskussion der anderen Zusammenhänge nicht hinreichenden Feststellung. Kontextualisierung, Beschäftigung mit Gegenargumenten oder Unsicherheiten sind auch für SZ-Redakteur Bernd Graff offensichtlich nicht notwendig, denn “Aber,aber,aber…das ist alles so blutig!”. Die gesamte Argumentation reduziert sich auf den wiederholten Verweis auf die Brutalität des in Doom 3 dargestellen Szenarios, wobei, nüchtern betrachtet, gerade die völlig überzogene Menge an Blut und Gore-Anteilen comichaft verzerrend wirkt und vor allem gerade NICHT realistisch ist.
Eine diffenzierte wissenschaftliche Feststellung, die klarstellt, dass einfache Wirkzusammenhänge (virtuelle Gewalt erzeugt reale Gewalt) nicht belegbar sind, wird zwar erwähnt, aber als “verschwurbelt” abqualifiziert. Alles viel zu kompliziert, wo man doch genau sieht, was in dem Spiel geschieht! Die implizite Absicht ist, das wirklich Offensichtliche mit einer gedachten automatischen Wirkung oder Folge zu verbinden. So funktioniert auch der Verweis auf andere menschliche Hautfarben, die sich doch so deutlich sichtbar von der unsrigen unterscheiden und den gedanklichen Schritt, dass es dann doch bestimmt noch mehr Unterschiede gibt, ebenfalls implizieren. Das erinnert mich an meinen Mathematiklehrer, der augenzwinkernd darauf verwies, dass nicht wirklich belegbare Voraussetzungen oder Zusammenhänge von den Wissenschaftlern zur Diskussionsprävention meist mit dem Satzanfang “Wie man leicht sieht, ist…” vorgetragen werden.
Neben einigen sachlichen Fehlern (die aktuellen Verkaufscharts zeigen durchaus keine Dominanz von Ego-Shootern und Kriegssimulationen ist ein Nullbegriff unter dem eben auch Schach rubrizieren kann) fällt wie meistens auch auf, dass der “Sinn” von Doom 3 mangels Hintergrundwissen verborgen bleiben musste. Man sollte es IMO in erster Linie als eine als Hommage zu verstehende Grafikdemo sehen, die für viele Erinnerungen an die “Jugend” mit Doom 1 und Doom 2 hervorruft, den für heutige Verhältnisse unglaublich mies aussehenden Vorgängern, die neben vielen Schrecksekunden auch die ersten Netzwerksessions initiierten und eben als wirkliche Klassiker einzustufen sind. Ganz zu schweigen davon, dass offensichtlich 99,99% derer, die diese Klassiker exzessiv konsumierten, diesen Einfluss viele Jahre ohne Langzeitschäden oder Massenmorde überstanden zu haben scheinen. Es ist abgesehen von seiner Grafik kein besonders herausragendes Spiel, weder typisch noch stilprägend für das Genre und auch die Wirkung der Erschreckens lässt irgendwann nach, weil sie zu leicht vorhersehbar wird. Aber das würde man natürlich erst merken, wenn man tatsächlich selbst längere Zeit spielt und nicht nur seinem Sohn 20 Minuten über die Schulter schaut um danach gleich einen Artikel zu verfassen.
# - Kai schrieb am 21. Oktober 2004, 22:33:
So ist es.