In vorderster Front
Eigentlich wollte ich pflichtgemäß auf die neuesten Becksteinschen “Erkenntnisse” zum Thema Computerspiele, die er unter direktem Bezug auf den Doppelmord von Tessin medienwirksam parallel zu einer Debatte des EU-Ministerrates zum Verbot von Videospielen der Öffentlichkeit mitteilte, hinweisen. Er behauptete, dass der Mord “exakt nach dem Drehbuch eines Killerspiels” abgelaufen wäre.
Gerade von Juristen sollte man eigentlich erwarten, dass sie sich erst zu Themen und speziell Straftaten äußern, wenn sie die entsprechenden Hintergründe kennen. Und zwar aus dem Munde bzw. der Feder der Ermittler. Ausnahmen sind aber natürlich Berichte der BILD-Zeitung, dem deutschen Zentralorgan für faktengesättigte und objektive Berichterstattung, die einen Zusammenhang zum Computerspiel “Final Fantasy VII” herstellte. Ich schenke mir den Kommentar und verlinke faulerweise lieber auf einen Artikel von Demonews, der die wichtigsten Merkwürdigkeiten thematisiert.
Stattdessen noch einige Worte zu einer im weiteren Sinne ähnlichen Angelegenheit. Anfang des Jahres nahm die deutsche Justizministerin Brigitte Zypries die deutsche EU-Ratspräsidentschaft zum Anlass, einen neuen Vorstoß zu europäischer Standardisierung bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus anzukündigen. Eine grundsätzlich sicher begrüßenswerte Idee, allerdings geht es auch darum, europaweit die Leugnung des Holocaust als Straftatbestand zu etablieren. Auch hier drängen sich deutsche Politiker also in den Vordergrund, wenn es um Einschränkungen bestimmter Freiheiten als einzig möglichem Mittel zur Bekämpfung bzw. Prävention geht. Dass Holocaustleugner widerliche Lügner sind, ist eine Sache, aber ich bezweifle (durchaus schweren Herzens) trotzdem zunehmen die Richtigkeit einer solchen Einschränkung der Meinungs- und Redefreiheit. Ihre Positionen und Behauptungen sind inakzeptabel – aber IMO aus sozialer und moralischer, nicht aus juristischer Sicht. Sie sollten in Schulen, Universitäten und in den Medien argumentativ bekämpft werden. Rechtsextreme Parteien profitieren sehr häufig von einer stellenweise durchaus diffusen Abneigung gegenüber dem politischen “Mainstream” (wahlweise blanker Dummheit) und diese Straftatbestände helfen ihnen dabei propagandistisch enorm.
Dank der neuen italienischen Regierung, die ihre frühere Blockadehaltung aufgibt, soll dies nun gelingen und auch endlich der Hitler-Wein verboten werden. Nun ist es also wohl rückblickend schon soweit, dass ausgerechnet Berlusconi als Verteidiger der Meinungsfreiheit gefeiert werden müsste…