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Einer der Vorteile mehrtägiger Durchfallerkrankungen ist die Möglichkeit, sich etwas ausführlicher mit dem aktuellen Fernsehprogramm auseinanderzusetzen. Auch wenn ich mich schrecklich elitär fühle: jenseits von 3Sat, Arte, Phoenix und Bayernalpha ist wenigstens tagsüber kaum etwas halbwegs erträglich (abgesehen von alten Al Bundy-Folgen). Der letztgenannte Sender zeigte vor einigen Tagen die Dokumentation Ich werde reich und glücklich über Anhänger des Motivationsgurus Jürgen Höller. Dieser füllte über Jahre hinweg die Veranstaltungshallen der deutschsprachigen Länder mit Voträgen und Seminaren um jedem die frohe Botschaft zu verkündigen, dass man alles schaffen könne, wenn man es nur wirklich wollen würde. “Alles” heisst in diesem Zusammenhang in erster Linie, reich und in seinem Fachgebiet der Beste zu sein. Die religiöse Konnotation ist durchaus nicht zufällig, sieht Höller sein Wirken doch als göttlichen Auftrag, als Berufung, der er zu folgen habe (wie im Film zitierte Auszüge aus einem internen Handbuch verraten) wie er auch Erfolg als soziale Verpflichtung gegenüber den Mitmenschen versteht (!). Die Zusammenarbeit mit einem Pfarrer, der seinerseits beabsichtigte, die Höllerschen Veranstaltungen als Plattform zu nutzen, dürfte für den Rhetorikstil Höllers nicht ohne Einfluss gewesen sein.

Die Seminare erinnern durchaus an moderne Evangelisationsveranstaltungen, mit fetziger Musik, salbungsvollen Worten und Ritualen sowie der Weitergabe von Geboten, die die künftigen “Adler” (im Gegensatz zu den lahmen Hühnern in ihrem Umfeld) täglich rezitieren: du bist der Beste, du bist schön, du wirst Erfolg haben usw. Wie groß die Nähe zu sektoidem Verhalten ist, zeigen auch die Lebensgeschichten der während der Dreharbeiten begleiteten Personen. Ohne diese bloßzustellen wird nachvollziehbar, wie Glücksversprechen und die Fixierung auf durch positives Denken herbeizuzaubernden Erfolg zu einer Erlösungsphilosophie werden. Besonders deutlich wird dies bei der Nageldesignerin aus Zeulenroda, die ihren Beruf aufgibt, um direkt in Höllers Firma zu arbeiten. Die schrankenlose Identifizierung mit den Zielen und der Firmenphilosophie lässt sie auch verteidigen, wenn Leute entlassen werden, die sich ihrer Ansicht nach nicht ebenso den Glücksprinzipien unterwerfen. Sie verteidigt diese auch noch, nachdem sich abzeichnet, dass Höllers Firma pleitegeht und der Erfolgsguru sich höchst erfolgreich in Knast und Privatinsolvenz befördert hat. Die sprichwörtlich magische Wirkung zirkelschlüssiger Systeme wird auch in solchen Fällen deutlich, sie erinnert nicht wenig an Anhänger alternativmedizinischer Gurus und Wunderheiler, die zwar ihre angeblich geheilten Angehörigen mit eigenen Augen sterben sahen, aber dafür dennoch lieber die schwachsinnigsten Erklärungen akzeptieren als den einzig logischen Schluss zu ziehen, dass sie (und noch viel mehr der Patient) nämlich einem Scharlatan aufgesessen sind.

Jede Niederlage und nicht eingetroffene Prognose – und als solche ist eine Totalpleite nach heftigsten und garantiert eintreffenden Erfolgswünschen wohl zu werten – wird nicht als solche akzeptiert, sondern anderen in die Schuhe geschoben oder gleich als Ansporn dafür genommen, es jetzt erst recht versuchen zu müssen, weil, so will es nun mal das Gesetz, man zuletzt wieder der Beste werden muss, wenn man es wirklich will. Klappt es nicht, bedeutet das dann ja nur, dass man eventuell nicht richtig genug gewollt hat, nicht etwa, dass die Grundregeln falsch sind. Angesichts der erbärmlichen Schlichtheit der in diesen Seminaren verbreiteten Phrasen und Allgemeinplätze fragt man sich, wie Privatleute und Unternehmen dort, verbunden mit horrenden Kosten, Weiterbildungen für Mitarbeiter und Führungskräfte buchen konnten/können.

Obwohl: Da eine strachrechtliche Verurteilung wohl ein deutliches Zeichen für nicht soziales Verhalten ist, könnte man Höllers Knastaufenthalt durchaus als “Beweis” seines Mottos: “Erfolglose Menschen sind unsozial” verstehen.

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